Bereitschaft Lohr

Die Gründunggründungsmitglieder

Am 14. Juli 1871 wurde in Lohr der Frauenverein vom Roten Kreuz mit 175 Mitgliedern gegründet, der sich um die Pflege Verwunderter und Kranker im deutsch-französischen Krieg 1870/71 kümmerte. Dieses Datum kann als Geburtsstunde des Roten Kreuzes in Lohr gelten. Ein Frauenverein (wenn auch noch ohne die ausdrückliche Erwähnung des Roten Kreuzes) zur Unterstützung Verwundeter war aber auch schon im Juni 1866 in Lohr gegründet worden. Man traf sich jeden Dienstagnachmittag im Weigand’schen Gar-tenlokale um gebrauchte Leinwand zu Charpie (eine Art von Watte) und Verbandszeug zu verarbeiten. Während die Nachrichten über die Arbeit der Frauen eher spärlich sind, sind wir über die Arbeit der Sanitätskolonne, deren Gründung am 29. Oktober 1903 im Gasthof „Luitpold“ stattfand, besser unterrichtet. Die Aufforderung zur Gründung war vom königlichen Kriegsministerium ergangen. Die ersten 30 Mitglieder kamen aus den Reihen der beiden damals bestehenden Turnvereine und des katholischen Gesellenvereins, der heutigen Kolpingsfamilie. Erster Kolonnenführer war Johann Weberpals, erster Kolonnenarzt Dr. Preisendörfer. Die erste Aktion, mit der die neugegründete Kolonne an die Öffentlichkeit trat, war eine Haussammlung zur Beschaffung von Uniformen, die das für die damalige Zeit betrachtliche Ergebnis von 289,50 DM erbrachte.

 

Die ersten Jahre der Kolonne

1904 wurde Johann Weberpals versetzt; sein Nachfolger als Kolonnenführer wurde Johann Bertisch. Mit Spenden der Firma Rexroth und der Stadt Lohr wurde 1906 ein Krankenzelt beschafft. 1910 übernahm der Rechtskundige Bürgermeister Josef Wetzel das Amt des Kolonnenführers. Unter seiner Leitung wurde das erste Kolonnenhaus errichtet und am 22. Oktober 1910 eingeweiht.

Die Kolonne während des 1. Weltkrieges

Das Jahr 1914 stand schon ganz unter dem Eindruck des drohenden Krieges, dessen Ausbruch die Kolonne schwer traf. 13 Kameraden wurden eingezogen; auf die übrigen kamen schwere Aufgaben zu. Drei Lazarette mit ingesamt 100 Betten wurden eingerichtet; außer den zurückgebliebenen Kolonnenmitgliedern meldeten sich zahlreiche Mänder, Frauen und Mädchen zu Lehrgängen. Eine Bahnhofssanitätswache unter Mitwirkung des Frauenvereins vom Roten Kreuz wurde eingerichtet, denn Tag und Nacht rollten Truppentransporte durch Lohr an die Front. Insgesamt wurden im 1. Weltkrieg 2.611 verwundete und kranke Soldaten in den drei Lazaretten gepflegt und man fand auch noch Zeit, an die im Feld stehenden Lohrer zu denken und sie zu beschenken. Der Gründer der Kolonne, Dr. Preisendörfer stellte seine Bezüge als Chefarzt der drei Lazarette restlos dem Roten Kreuz zur Verfügung. Das Lazarett im Frauenkloster konnte 1916, das im Aloysianum 1919 und das im Städtischen Hospital 1920 aufgelöst werden. Drei Mitglieder der Kolonne waren gefallen; die übrigen gingen nach dem Kriege daran, die Arbeit wieder aufzunehmen.

 

Das Rote Kreuz in der Waimerer Zeit

1920 stellte sich der neue Amtsarzt des Bezirks Lohr, Dr. Otto Schöner in den Dienst der Kolonne. 1922 sah man sich vor eine neue Aufgabe gestellt. In Ruppertshütten war eine Typhusepidemie ausgebrochen, die viele Opfer forderte. Der Lohrer Kolonne fiel die Aufgabe zu, die dortige Volksschule als Seuchenlazarett einzurichten. 19 oft mit großen Schwierigkeiten verbundene Transporte aus den verseuchten Wohnungen ins Lazarett waren durchzuführen. Diese Aufgabe teilten sich sechs Mitglieder der Kolonne, denen die Kreisbehörden für ihren Einsatz vollste Anerkennung aussprachen. Nicht weniger als sechs Ärzte schlossen sich 1924 auf Vermittlung von Bezirksarzt Dr. Schöner der Kolonne an. 1925 brachte ein Werbeabend dank der Mitwirkung der Lohrer Stadtkapelle und des katholischen Gesellenvereins einen guten Erfolg. Erstmals hielten die drei in Lohr vertretenen Rotkreuzorganisationen einen gemeinsamen Rotkreuztag mit einer Hauptübung im Eisenwerk Rexroth ab. Am 6. Juli 1928 starb plötzlich und unerwartet der Gründer und Chefarzt der Kolonne, Obermedizinalrat Dr. Preisendörfer. Mit dem 25-jährigen Jubiläum, das man vom 13. bis 15. Oktober des gleichen Jahres feierte, war gleichzeitig der Unterfränkische Führer- und Ärztetag verbunden. Ein Jubiläumsgeschenk besonderer Art war es, dass der Frauenverein vom Roten Kreuz die Initiative ergriff und den finanziellen Grundstock für die Beschaffung eines Krankenautos aufbrachte. Der Rotkreuztag, den die Frauen zu diesem Zweck veranstalteten brachte einen Erlös von 1.000 DM. Eine namhafte Spende gab der Lohrer Ehrenbürger und Kommerzienrat Josef Schlossmann; die Stadt stiftete weitere 4.000 DM und 1930 konnte man tatsächlich das erste motorisierte Krankentransportfahrzeug anschaffen. Das Erbe von Dr. Preisendörfer übernahm Dr. Anton Mayer.

 

Die Jahre 1933 bis 1945

Die nächsten Jahre stellten die Führung der Kolonne vor eine schwierige Situation. Partei und Staat banden die Rotkreuzgemeinschaften immer straffer in die Organisation des totalitären Staates ein. Zunächst meldeten sich viele, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden, gerade deshalb gerne zum Dienst in die Kolonne, weil man sich damit dem Druck zum Eintritt in die Organsiation der NSDAP leichter entziehen konnte, aber allmählich wurde auch das Rote Kreuz in die Vorbereitungen zum Krieg eingebunden. Am 7. Juni 1933 hatte Bürgermeister Dr. Wolpert die Nachfolge von Bürgermeister Josef Wetzel als Kolonnenführer angetreten. Ungeheurer Anforderungen stellte der 2. Weltkrieg an die Lohrer Sanitäter, ob sie nun an die Front gerufen worden waren, oder in der Heimat Dienst taten. Umso erbitterter waren viele, als man sie dieses Dienstes wegen, der ja den Menschen und nicht der Ideologie galt, nach dem Krieg mit den Angehörigen nationalsozialistischer Organisationen in einen Topf warf und sie in das Getriebe der Entnazifizierung gerieten. Unter diesen Umständen stieß der Wiederaufbau nach dem Kriege auf große Schwierigkeiten. Es gehörte viel Idealismus dazu, sich erneut in den Dienst der guten Sache zu stellen. Dr. Ludwig Fährer, aus dem Kriege heimgekehrt, stellte sich als Kolonnenarzt zur Verfügung und Josef Schmitt, der 1937 die Nachfolge von Bürgermeister Wolpert als Kolonnenführer angetreten hatte, übernahm auch nach dem Kriege deren Wiederaufbau.

 

Wiederaufnahme nach dem 2. Weltkriegchronikübung
Ab 1949 liegen über die Tätigkeiten in der Sanitätskolonne wieder regelmäßige Protokolle vor. 1950 befasste man sich mit der Wiederinstandsetzung des Kolonnenausschusses. 1953 feierte man das 50-jährige Stiftungsfest. Ehrengast der Festveranstaltung war der 86-jährige Johann Weberpals, der erste Kolonnenführer, der es sich trotz seines hohen Alters nicht hatte nehmen lassen, von Weismain nach Lohr zu kommen. Teil des Festprogramms war eine große Übung in der Firma Rexroth. 1958 wurde in Rechtenbach ein eigener Zug mit 17 Helfern aufgestellt. In Neustadt gab es eine Gruppe. In der Jahreshauptversammlung am 1. August 1958 bat Josef Schmitt nach 21-jähriger Tätigkeit als Kolonnenführer, von einer Wiederwahl Abstand zu nehmen, weil auch die Aufgaben des Kreiskolonnenführers immer umfangreicher wurden. Im folgte im Amt Hermann Friedel. Erstmals wurde im April 1959 in den Protokollen vermerkt, dass die Helfer der Kolonne bei der Durchführung der 1. Blutspendeaktion in der Berufsschule mit eingesetzt waren.

 

60 Jahre BRK Kolonne Lohrchronikjubiläum
Am 12. und 13. Oktober 1963 beging die Kolonne ihr 60-jähriges Bestehen mit einer Schauübung auf dem Sportplatz des Frauenklosters, bei der Hilfeleistung vom Unfallort bis zum Krankenhaus demonstriert wurde. Die Bundeswehr hatte einen kompletten Verbandsplatz und eine Zahnstation aufgebaut. Am 19. Juni 1964 wurde anstelle von Hermann Friedel, der nach längerer schwerer Krankheit aus Gesundheitsgründen um Ablösung von seinem Amt gebeten hatte, Karl Gütlein zum Kolonnenführer gewählt. Beim Anbau des Saales am Rotkreuzhaus in der Partensteiner Straße leisteten die Helfer der Kolonne allein in der Zeit vom Baubeginn 23.08.1966 bis 31.12.1966 724 freiwillige Arbeitsstunden, dazu Sachspenden und beteiligten sich an der Bausteinaktion zur Finanzierung.

 

fahnerueckseiteAm 10. Dezember 1967 konnte das Rotkreuzhaus seiner Bestimmung übergeben werden und zugleich die neue Fahne mit dem Bild des barmherzigen Samariters. Am 21. Februar 1969 trat wegen beruflicher Belastung Karl Gütlein als Kolonnenführer zurück. Sein Nachfolger wurde Kreisgeschäftsführer Wilfried Glass, der aber schon im September 1969 wegen unvorhergesehener, beruflicher Veränderung sein Amt niederlegen musste. Einstimmig wurde Gerhard Geissler zum Kolonnenführer gewählt.Im folgte 1973 Gottfried Christ im Amt. Schwierigkeiten bereitete vor allem die Umorganisation nach Bildung des größeren Kreisverbandes Main-Spessart, die auch auf die Arbeit innerhalb der Kolonne nicht ohne Auswirkung blieb. Die Gründung des Rettungszweckverbandes führte keineswegs, wie mancher geglaubt hatte, dazu, dass das ehrenamtliche Element im Unfallrettungsdienst und Krankentransport in den Hintergrund tritt. Das Rote Kreuz ist nach wie vor auf die Hilfe seiner Ehrenamtlichen angewie-sen, wenn es seine Aufgaben erfüllen soll. Seit vielen Jahren arbeiten im Einsatz und Ausbildung Sanitätskolonne und Frauenkolonne eng zusammen.

 

Die Gasexplosion in der Lohrer Innenstadt

Das Jahr 1978 war für die Stadt Lohr ein trauriges Jahr, denn am 25. Juni kam es in der Fußgängerzone zu einer Gasexplosion, wobei über 50 Personen verletzt wurden und ein Todesopfer zu beklagen war. Die Sanitätskolonne war hierbei mit allen Helfern im Einsatz. Vom 7. Juli bis 10. Juli 1978 feierte die Sanitätskolonne ihr 75-jähriges Jubiläum, welches der Kolonne neuen Auftrieb gab. In diesem Jahr konnten einige junge Leute für die Arbeit im Roten Kreuz gewonnen werden. Im November erhielt die Sanitätskolonne den Auftrag, im Rahmen des Katastrophenschutzes eine Verpflegungsgruppe aufzubauen. Mit desselben Jahres konnten bereits die ersten Verpflegungseinsätze durchgeführt werden. Ein fester Bestandteil der Aufgaben der Kolonne und Bereitschaft wurde der Blutspendedienst. Im Jahr werden ca. 15 bis 20 Termine durchgeführt.

Die Zeit ab 1980

Im Dezember 1980 erschütterte ein Erdbeben in Süditalien die dortige Bevölkerung. Die Bürger von Lohr wurden zu einer Kleiderspende aufgerufen. Innerhalb einer Woche wurden von den Helferinnen und Helfern ca. 10 Tonnen Kleider sortiert und verpackt. Am 30. April 1983 informierte der BRK Kreisverband Main-Spessart am oberen Marktplatz in Lohr über seine Arbeit. Sein 10-jähriges Bestehen feierte er am Vormittag des 1. Mai im Saal der Stadthalle. Beim gemeinsamen Mittagessen wurden vom Verpflegungszug ca. 800 Personen versorgt. Der Nachmittag des 1. Mai stand im Zeichen des unterfränkischen Roten Kreuzes. Aus dem ganzen Bezirk kamen die Rotkreuzhelferinnen und Helfer nach Lohr. Als Festredner kam zum ersten Mal der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein nach Bayern. Der Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes Ministerpräsident a. D. Alfons Goppel war ebenfalls zu Gast. Nachdem Gottfried Christ im Frühjahr 1985 aus beruflichen Gründen Lohr verließ, wurde im April 1985 Claus Dietrich zum Kolonnenführer gewühlt. Im folgte 1991 Werner Wawok.

Im März 1993 beschlossen die Sanitätskolonne und die Frauenbereitschaft, die bereits seit Jahrzehnten eng zusammengearbeitet hatten, sich auch offiziell unter der Bezeichnung „Bereitschaft Lohr“ organisatorisch zusammenzuschließen. Bereitschaftsleiter blieb Werner Wawok. Nach dessen Rücktritt wählten die Mitglieder Anfang 1995 Christoph Kind zum neuen Bereitschaftsleiter.

Neben vielen Höhepunkten hat es in der Geschichte der örtlichen Rotkreuzgemeinschaften, zu denen die vor 50 Jahren gegründete Wasserwacht gehört, auch manchen Tiefpunkt gegeben, sei es durch Einwirkungen von außen oder auch innerhalb der Kolonne oder Bereitschaft. Es fanden sich aber auch immer wieder Frauen und Männer, die sich durch Schwierigkeiten oder Rückschläge nicht entmutigen ließen, sich in den Dienst des Roten Kreuzes und seiner Ziele und Ideale zu stellen. Viele Mitglieder haben sich durch Jahrzehnte zahllose Stunden in den Dienst am Nächsten gestellt, unbeeindruckt durch Probleme und ohne auf den Dank der Öffentlichkeit zu sehen.

Auf diesem Geist sollte auch die Arbeit in der Zukunft aufbauen.

Karl Anderlohr, aus der Jubiläumsschrift zur 125 Jahrfeier der Bereitschaft im Jahre 1996